Geschwindigkeit und Bücher sind nicht gerade zwei Dinge, die man einander zuordnen würde, wenn man einmal davon absieht, dass man mit einem neu gekauften Buch möglichst schnell wieder nach Hause möchte, um mit dem Lesen zu beginnen. Aber das Lesen wird mit Entschleunigung in Verbindung gebracht, und auch das sorgfältige Entwickeln einer ersten Idee hin zum fertigen Buch ist eher ein langwieriger Prozess. Und doch hält die Geschwindigkeit auch hier Einzug, und zwar in Form zweier kleiner Programme.
Lesen mit Geschwindigkeit
Speed Reading ist schon länger ein Begriff, hinter dem sich Lesen mit hoher Geschwindigkeit verbirgt. Das Ziel ist es, mehr Worte in der gleichen Zeit zu lesen und einen Text so schneller zu erfassen. Geübte Leser schaffen es auf etwa 250 bis 300 Worte pro Minute (wpm), während verschiedene Apps und Programme eine Erhöhung des Lesetempos auf bis zu 1.000 wpm versprechen.
Erreicht wird diese Vervielfachung der wpm dadurch, dass nicht mehr der vollständige Text angezeigt wird, sondern immer nur ein einzelne Wort. Der Leser kann sich dadurch auf dieses eine Wort konzentrieren. Auch die notwendige Augenbewegung, um eine normale Textseite zu lesen, fällt weg.
Die Frage, die sich dabei den Lesern stellt: Bringt Speed Reading überhaupt etwas, oder habe ich nichts von der höheren Geschwindigkeit? Tatsächlich ist das Ergebnis einer groß angelegten Studie, dass eine durch entsprechende Apps erhöhte Lesegeschwindigkeit auf Kosten des Textverständnisses geht. Das ist nicht nur nachteilig, denn wenn nur der grobe Inhalt eines Textes erfasst werden soll, hilft die hohe Geschwindigkeit, dies in kurzer Zeit zu tun.
Geht es allerdings darum, den Inhalt wirklich zu begreifen, sollte man auf das altbewährte „normale“ Lesen zurückgreifen. Denn so erfasst man den Text in genau dem richtigen Tempo, um ihn zu begreifen, und kann nicht verstandene Sätze leicht noch einmal lesen. Wer sein Lesetempo erhöhen und nicht auf das Textverständnis verzichten will, sollte einfach üben: Wer viel liest, wird wie von selbst immer schneller dabei. Und ist es letzten Endes nicht auch viel schöner, ein gutes Buch möglichst lange zu genießen, statt es nur so schnell wie möglich herunter zu schlingen?
Schreiben mit Geschwindigkeit
Wer ein Buch schreiben will, wird eine große Menge Text produzieren (müssen). Selbst eine kurze Novelle ist mehr Text, als man normalerweise schreibt. Kommt dann noch eine Schreibblockade hinzu, türmt sich das noch zu schreibende Buch zu einem gigantischen Berg auf, der unbesteigbar scheint.
Schneller zu schreiben befreit den Autoren nicht unbedingt von einer Schreibblockade, kann aber durchaus helfen, sie zu überwinden. Denn oft gerät der Schreibfluss ins Stocken, weil man zu lange über den gerade getippten Worten verharrt und beginnt umzuformulieren, statt weiterzuschreiben. Dabei ist gerade der erste Entwurf einer Geschichte noch eine Rohfassung, die später mehrere Male überarbeitet werden muss.
An diesem Punkt setzt die App Flowstate an: Wer damit einen Text schreibt und für 5 Sekunden pausiert, muss mit ansehen, wie der bereits geschriebene Text unwiederbringlich gelöscht wird.
Was im ersten Augenblick hart klingt, kann tatsächlich eine Befreiung für Autoren sein. Der Zwang, mit einer gewissen Geschwindigkeit zu schreiben, befreit von dem Versuch, die Rohfassung eines Textes zu verbessern und zwingt den Autoren, weiterzuarbeiten. Durch den einstellbaren Timer kann man sich aussuchen, wie lange die Prozedur laufen soll: Es ist ein Zeitrahmen zwischen 5 und 180 Minuten möglich.
Wer nichts dagegen hat, neue Schreibtechniken auszuprobieren, sollte der App auf jeden Fall eine Chance geben. Wer eine Abschlussarbeit schreibt oder leicht unter Druck gerät, wird allerdings mit dem Risiko leben müssen, nach 179 Minuten Arbeit den gesamten geschriebenen Text zu verlieren – inklusive aller Ideen, die darin verarbeitet wurden.
Wie stehst Du zum Thema Geschwindigkeit im Bereich Bücher? Hast Du Erfahrung mit Speed Reading oder Flowstate? Dann erzähl uns davon!