Wir leben gerne in dem Glauben, dass es zumindest in unserem Land keine Zensur gibt. Hier darf jeder schreiben, was er will, solange er sich an geltendes Recht hält. Umso verstörender ist es, wenn man plötzlich doch in eine Zensur-Debatte gerät, insbesondere wenn es um Kinderbücher geht. Aber was steckt hinter dem Vorwurf, und worum genau geht es bei der Zensur?
Was ist Zensur?
Der Duden definiert Zensur unter anderem als „von zuständiger, besonders staatlicher Stelle vorgenommene Kontrolle“.
Bei Zensur geht es um die Kontrolle von Informationen. Insbesondere staatliche Stellen nutzen restriktive Verfahren, um die Verbreitung ungesetzlicher oder (und hier wird es leicht unschön) unerwünschter Inhalte zu verhindern. Auf diese Weise wird z. B. die Verbreitung rassistischer oder volksverhetzender Inhalte stark eingedämmt oder ganz verhindert.
Zensur und die freie Meinung
In den meisten Fällen ist die staatliche Kontrolle ohne Frage wichtig und wertvoll. Der Jugendschutz fällt z.B. darunter, da mit ihm Kinder und Jugendliche vor Inhalten geschützt werden sollen, die einen negativen Einfluss auf ihre Entwicklung nehmen können. Dazu zählen unter anderem Gewaltdarstellungen oder menschenverachtende Formen der Sexualität. Auch rassistische Inhalte sollen nicht verbreitet werden, um diese Tendenzen möglichst gering zu halten.
Kritisch wird es wenn der Eindruck entsteht, dass eine übergeordnete Stelle die Verbreitung von Informationen verhindert, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Wenn nicht mehr das Allgemeinwohl im Vordergrund steht, sondern der Zugewinn für wenige, wird Zensur zu einem Werkzeug der Unterdrückung.
Das Problem an der Zensur ist, dass es zu beinahe jedem verbotenen Stück unterschiedliche Meinungen gibt. Die einen wollen die Bevölkerung schützen und die Verbreitung verrohender Inhalte verhindern, die anderen sehen darin eine Einschränkung ihres künstlerischen Ausdrucks oder eine Verhinderung der Informationsweitergabe. Oft wird die Kritik vorgebracht, dass Zensur insbesondere dem Machterhalt derjenigen gilt, die sie ausüben.
Zensur in Büchern?
Zensur in Form von verbotenen Büchern gab und gibt es nicht nur in totalitären Regimen. Auch in den USA gibt es immer wieder Bemühungen von Gruppen oder Einzelpersonen, bestimmte Bücher aus den Bibliotheken und den Schulen zu verbannen. ALA, der Verband der US-Büchereien, organisiert seit etwa 30 Jahren die „banned books week“, die Woche der verbannen Bücher, um auf diesen Missstand hinzuweisen.
Die Zahlen sind beeindruckend: Seit 1982 gab es laut ALA 11.300 Versuche, Bücher und Comics aus Schulen zu verbannen. Allerdings ist die Dunkelziffer wohl deutlich höher: ALA schätzt, dass nur jeder fünfte Fall gemeldet wird.
Die Gründe erscheinen uns oft an den Haaren herbeigezogen: Da soll in einigen Büchern der Homosexualität gehuldigt werden. Andere wiederrum verstoßen gegen das religiöse Gefühl einer religiösen Splittergruppe. Auch sexuelle Freizügigkeit wird immer wieder genannt. Welche absurden Züge dies annehmen kann zeigt sich daran, dass die Harry-Potter-Reihe seit ihrem Erscheinen zu den am häufigsten beanstandeten Büchern zählt.
Zensur in Kinderbüchern?
Vor zwei Jahren entbrannte eine Diskussion darüber, ob Klassiker der Kinderbücher überarbeitet werden dürften. Es ging insbesondere um ein Wort: „Neger“.
Die einen waren mit Astrid Lindgrens Büchern über Pippi Langstraumpf aufgewachsen und störten sich nicht am „Negerkönig“, während die anderen sagten, dass dieser Begriff längst überholt sei und es keinen Grund gibt ihn beizubehalten. Die Frage, ob das bloße Lesen solcher Begriffe Kinder zu Rassisten macht, oder ob nicht eher die andauernde Herabwürdigung von Menschen mit dunkler Hautfarbe im Vordergrund steht, stellt auf sachlicher Ebene eine spannende Diskussion dar. Ist es Zensur, wenn ein literarischer Text nachgebessert wird, weil er Begriffe verwendet, die nach heutigem Verständnis einzelne Personen diffamieren, wenn diese Begriffe selbst nicht nötig, sondern ersetzbar sind? Denn ob bei Pippi Langstrumpf nun vom Negerkönig oder vom Südseekönig die Rede ist, ist für die Geschichte letzten Endes egal.
Wie ist Deine Meinung zu diesem Thema? Wir sind gespannt auf Dein Kommentar.
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Hallo, bin selbst ü 60, also aus einer anderen Zeit. Vielleicht war/bin ich zu oberflächlich, um jeden Ausdruck dreimal auf Ungefährlichkeit rumzudrehen. Neger war für mich jedenfalls, nie eine abwertende Bezeichnung für Farbige (ist das auch wieder falsch?). Neger hatten eine andere Hautfarbe, es wußte jeder was gemeint war. Denke, es geht vielen so. Und “alte Schinken” deshalb zu verbieten oder umzuschreiben.???
Hallo,
mir ging es ähnlich, als ich das erste Mal davon hörte.
Ich denke, in solchen Fällen geht es nicht nur darum wie wir es verstehen, sondern ob sich Menschen mit dunkler Haut davon angegangen fühlen. Selbst, wenn die Autoren es damals nicht böse meinten und wir es nicht als Beleidigung verstehen, können andere es ja immer noch als Beleidigung wahrnehmen und haben dann ein Recht auf Rücksichtsname.
Da bin ich dann in jedem Fall eher dafür, solche einzelnen Begriffe in neuen Auflagen zu ändern. Verbieten sollte man diese Kinderbücher auf keinen Fall!
“Lustig ist das Zigeunerleben, faria faria ho”
Ich mag diese Menschen, die deutschen Sinti und die rumänischen tigani (Roma). Ich habe 5 Jahre in Rumänien gelebt, habe mit den tigani zusammen gearbeitet und gefeiert.
In Deutschland ist “Zigeuner” ein ähnliches verbotenes Wort wie “Neger”.
Es hat seinen Grund. Der Haß der Deutschen auf Zigeuner wirkte 600 Jahre, beleidigend und verachtend zumeist, und endete dann im 20.Jahrhundert in Verfolgung und Mord in deutschen KZs.
Wenn du einen Sinto fragst, nachdem ihr etwas vertraut geworden seid, “wie ist das mit dem Wort Zigeuner?” – bekommst du entweder die Antwort: “Wir sind deutsche Sinti, seit über 500 Jahren in Deutschland. Und die Zigeuner, die dreckigen und verlogenen aus Rumänien und Bulgarien, sollen bleiben, wo sie sind. Diese Roma, diese Zigeuner, mit denen haben wir nichts zu tun!”
oder ein verschmitztes Lächeln als Antwort: “Na klar sind wir Zigeuner!” Und in diesen Worten schwingt ein spielerischer Stolz.
In meiner Mittelalter-Erzählung “Das blassblaue Blub – wahre Narrengeschichten aus Nyge Crempa” gebrauche ich das lateinische Wort “secanus”, so wie es 1417 in Lübeck geschrieben wurde.
Hallo,
und danke für das schöne Beispiel. Da zeigt sich wieder sehr deutlich, dass nicht jeder Mensch einen Begriff auf die gleiche Weise versteht – und dass es dennoch richtig ist, bestimmte Worte bewusst aus dem Wortschatz zu streichen.