Heute möchte ich eine Lanze brechen für etwas Besonderes und, in meinen Augen, Großartiges: Das Gender-Kinderbuch. Ein Kinderbuch, dass Klischees abstreift und Prinzessinnen erlaubt, Ritter zu werden, ihren Prinzen zu retten statt von ihm gerettet werden zu müssen, in dem ein Kind zwei Väter haben kann und Jungs akzeptiert werden, obwohl sie Ballett tanzen oder rosa Kleider tragen wollen.
Warum ich solche Bücher großartig finde? Weil es tolle Geschichten sind, die darin erzählt werden. Und Kinder haben tolle Geschichten verdient.
Ein Kinderbuch prägt fürs Leben
Die bunten Kinderbücher sind die ersten Blicke in die Welt dort draußen, die wir Kindern zeigen, ehe sie überhaupt sprechen können. Ein Kinderbuch zeigt einem Kind, wie die Welt sein soll, denn das Abgebildete wird schön und bunt und gut dargestellt. Deshalb sind Kinderbücher eine großartige Möglichkeit, auch kleinen Kindern ganz spielerisch etwas Neues beizubringen: „Schau mal, ein Bagger auf einer Baustelle.“ oder „Guck mal, die Ente dort brütet auf ihren Eiern.“
Schwierig wird es, wenn die Abwechslung fehlt. Wenn es immer nur die Prinzessin ist, die in Gefahr gerät, sich nicht alleine helfen kann und vom Prinzen gerettet werden muss, wird diese Rollenverteilung als ganz normal präsentiert. Ebenso, wenn der Vater immer bei der „richtigen“ Arbeit und die Mutter nur beim Kochen gezeigt wird. Forscher wiesen in einer groß angelegten Studie nach, dass ein Großteil der Charaktere in Kinderbüchern männlich ist und dass dies Auswirkungen auf die Kinder hat.
Eine bunte Vielfalt im Kinderbuch
Das heißt natürlich nicht, dass diese Geschichten schlecht sind und wir fortan alle Klassiker der Kinderbücher wegsperren. Es heißt viel mehr, dass wir eine bunte Vielfalt im Bücherregal willkommen heißen sollten. Um bei der Prinzessin zu bleiben: Manchmal wird sie vom Prinzen gerettet, weil eben jeder einmal Hilfe braucht, und manchmal zieht sie los und rettet den Prinzen, der auch mal hilflos sein darf.
Kinder sind erfahrungsgemäß kaum überfordert oder verwirrt, wenn sie mit solchen noch ungewöhnlichen Geschichten konfrontiert werden. Kinder wollen Geschichten hören, in denen der Held oder die Heldin ein Abenteuer besteht und am Ende das Gute gewinnt. Tatsächlich zeigen Kinder eine erstaunliche Toleranz gegenüber „Anderem“ und können sich z.B. einfach freuen, wenn die beiden Pinguin-Papas im Zoo ein Ei untergeschoben kriegen, damit sie es bebrüten und eine Vater-Vater-Tochter Familie gründen können. In meinen Augen zeigen Kinder uns so ganz wundervoll, worauf es bei einer guten Geschichte ankommt: Nicht auf das Geschlecht der Charaktere, sondern auf die Geschichte selbst.
Ein Kinderbuch für alles
Das Thema gleichgeschlechtlicher Eltern, oder das Mädchen auch Mädchen lieben dürfen, nimmt nur einen Bruchteil der Gender-Kinderbücher ein. Viel öfter werden die klassischen Rollenklischees aufgelöst. Dann ist es in Ordnung, dass Mädchen Fußball spielen und Jungen Ballett tanzen wollen.
Wer ein solches Thema mit seinen Kindern ansprechen will, findet mit etwas Suchen das passende Kinderbuch dafür. So können auch schwierige Themen ohne steife Gesprächssituation angegangen werden, indem nach dem Vorlesen über die Geschichte des Buches geredet wird. Eine kleine Auswahl verschiedener Kinderbücher findet sich auf gender-kinderbuch.de.
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Vielleicht müssen wir, was gendermäßíge Kindererziehung angeht, langsam wieder zurückrudern. Die angesprochenen Qualitäten entsprechen längst dem Mainstream. In Filmen und Romanen sind Frauen und Mädchen mittlerweile meist gewalttätiger und cleverer als die Jungs. Ausnahmen bestätigen die Regel. Die prügelnde Frau ist politisch korrekt, genauso wie der weinende Mann. Ob das der biologischen Programmierung entspricht und eine Verbesserung bringt, das Urteil kann man getrost der persönlichen Erfahrung eines jeden einzelnen überlassen.
Für mich ist das Ziel der gendermäßigen Kindererziehung weniger, die genauen Gegenteile der bisherigen Klischees zu lehren. Es ist richtig, dass wir dann letzten Endes auch kein Stück weiter kommen. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht ins andere Extrem umschwenken.
Für mich ist wichtig Kindern von klein auf zu zeigen, dass es gut und richtig ist, sich auszuprobieren und einen eigenen Weg zu gehen – für ein Mädchen muss es auch in Ordnung sein, einfach eine Prinzessin sein zu wollen.
Ich bin immer vorsichtig, wenn es um biologische Programmierung geht. Ich sehe darin Veranlagungen, aber wie diese sich letztlich genau entwickeln hängt auch von der Umwelt ab. Eine allgemeingültige Programmierung gibt es eh nicht, sondern eher verschiedene Mischungsverhältnisse von “typisch männlich” und “typisch weiblich”.
Ich kann da nur mich selbst als Beispiel aufführen: Im Kindergarten und in der Grundschule habe ich wesentlich lieber mit Jungs gespielt und getobt, weil die Mädchen mir viel zu langweilig waren, und hatte doch gleichzeitig Barbies im Kinderzimmer.