Geschichte schreiben: Was einen guten Historienroman ausmacht

Geschichte schreiben im doppelten Sinn: Sowohl für Autoren als auch für Leser sind Historienromane oft ein besonderes Erlebnis. Sie bieten die Möglichkeit, in geschichtliche Ereignisse einzutauchen und sie quasi hautnah zu erleben, ohne dabei so langweilig wie Schulunterricht daherzukommen.

Aber Historienroman ist nicht Historienroman. Was ein gutes Buch in diesem Genre ausmacht, erfahrt Ihr hier.

Fakten und Fiktion

Geschichte schreiben_Was sind gute HistorienromaneEs ist klar: Historienromane sind keine Geschichtsbücher. Einige sind näher an der Realität als andere, aber in jedem werden Anpassungen an die Geschichte vorgenommen, die der jeweilige Autor erzählen will. Der Grund dafür ist klar: Der Autor will eine Geschichte schreiben, die mehr ist als eine lyrische Wiedergabe eines Geschichtsbuches. Aber alle archäologischen Funde und Aufzeichnungen aus der Vergangenheit sind nicht mehr als Eckdaten und Berichte, kurze Einblicke in eine vergangene Epoche. Ein Roman muss aber mehr bieten als Eckdaten. Um eine gute Geschichte schreiben zu können, muss der Autor eine komplette Welt lebendig werden lassen und um die historischen Eckdaten herum erschaffen. Es ist ein wenig wie mit einem Malbuch: Die historischen Eckdaten sind die leere Zeichnung, während der Autor seinen Farbkasten nehmen und die weißen Flächen ausfüllen muss.

Recherche ist notwendig

Um eine historische Geschichte schreiben zu können, sind viele Recherchen notwendig. Je „echter“ die Geschichte sein soll, desto mehr. Von den Ergebnissen schaffen es letztlich nur wenige Prozent in das tatsächliche Buch – kein Leser möchte wissen, wie die Nahttechnik mittelalterlicher Schnabelschuhe funktioniert, aber der Autor muss wissen, was es mit diesen Schuhen auf sich hat, um sie mit ein, zwei Nebensätzen passend in Szene setzen zu können.

Geschcihte schreiben_Recherche ist wichtigWas manche Historienromane furchtbar dröge macht sind zu viele Beschreibungen aus der Recherche. In dem Fall hat der Autor so lange recherchiert, dass er all die Ergebnisse auch unterbringen möchte. Dann geht es nicht mehr nur um Nähte in Schnabelschuhen, sondern auch um Beinlinge, Tuniken, die Unterschiede verschiedener Kopfbedeckungen – und ehe man sich versieht ist der ganze Roman überfrachtet mit Hintergrundinformationen, die mit der eigentlichen Geschichte nichts zu tun haben.

Auf der anderen Seite schadet zu wenig Recherche ebenfalls. Viele Leser, die sich Historienromanen zuwenden, sind in „ihrer“ Epoche sehr bewandert. Wenn ein Autor seine Fakten nicht kennt, wird er diese Leser schnell verprellen.

Geschichte schreiben oder Geschichte schreiben?

Manchmal tappen Autoren in die Falle, über die geschichtliche Epoche ihres Buchs zu schreiben, aber keine eigene Geschichte zu entwickeln. Als Ergebnis ist das Buch gefüllt mit einem großartigen historischen Hintergrund, Einblicken in politische Winkelzüge und soziale Denkweisen. Aber es fehlt der Protagonist, der aus eigener Motivation heraus handelt und seine Heldenreise absolvieren muss.

Der Protagonist verkommt dann zu einem Zuschauer von geschichtlichen Ereignissen, durch dessen Augen auch der Leser „live“ erleben kann, was in einer bestimmten Epoche passiert. Das ist spannend für diejenigen, die wirklich ein Fable für eine bestimmte Zeit haben, aber furchtbar langweilig für alle anderen Leser. Wer möchte 300 – 500 Seiten lang lesen, dass eine Figur etwas erlebt, ohne dabei eigene Motivationen zu haben?

Geschichte schreiben über KleopatraJe näher sich das Buch an der historischen Wahrheit hält, desto größer ist die Gefahr, dass ein Autor in diese Falle tappt. Das Ende des Buches ist bekannt, da ja alles bereits geschehen ist und in Geschichtsbüchern festgehalten. Das klassische Unbekannte anderer Bücher gibt es also nicht. In einem Historienroman über Kleopatra wissen wir bereits auf der ersten Seite, welche Rolle Cesar oder Mark Anton spielen werden.

Die Herausforderung ist, mit diesem bekannten Material eine packende Geschichte schreiben zu wollen. Wenn ein Autor es schafft, aus Kleopatra eine vielschichte Frau zu machen, die ein Ziel hat und kämpfen muss, um es zu erreichen, kann er dem Leser die Illusion schenken, dass die Geschichte sich vielleicht doch anders entwickeln könnte, als wir es aus den Geschichtsbüchern kennen. Dann geht es nicht mehr um das Abklappern von weltgeschichtlichen Ereignissen, sondern um die Wünsche und Träume der Frau Kleopatra und den Hindernissen, mit denen sie sich herumschlagen muss.

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Frauke Bitomsky

Über

Frauke Bitomsky ist Teil des Teams von Liber Laetitia. Wir zeigen Autoren, wie sie sich und ihre Bücher effektiv, zeitsparend und rechtssicher im Social Web präsentieren können.